Wizard of Wasd

Firma:
Randy Gill
Jahr:
2020
System:
Atari 400/800
Genre:
Rollenspiel
Tags:
Sonstige Fantasy / Mythen und Sagen / Einzigartig
Sprache:
Englisch
Mittlere Wertung:
5/5

Bericht von LostInSpace (25.05.2020) – Atari 400/800

Erfolgreiche Spiele wie Zelda, Ultima, Baldur's Gate und Konsorten bezaubern mit einer atmosphärischen Fantasiewelt, fordern durch das Kämpfen gegen feindliche Mächte heraus und bieten dafür jede Menge Erfahrung für das weitere (Über)leben. Die Vogelperspektive – also das Bewegen auf einer Art Weltkarte – ist eine auffallende Gemeinsamkeit der genannten Klassiker. Der Spieler überblickt dabei die Umgebung samt seinem Avatar von oben, ohne jedoch direkt dessen Sichtfeld und damit seine Rolle – wie in 3D-Shootern üblich – einzunehmen. In dieser Art Flug über der eigentlichen Szene, ist der Spieler etwas weiter weg vom Geschehen und bekommt ein abstrakteres Bild des Spielablaufs. Die genannte Spiele-Titel schaffen es trotzdem ohne große Mühe, den Spieler zu fesseln und in die Geschichte einzubinden. Dies geschieht durch die Perfektion der bekannten technischen Elemente wie Grafik, Musik, Spielmechanik und auch den psychologischen Anreizen, die einen Kampf mit Fortschritt in der Story und Erhöhung der Erfahrungspunkte belohnen.

Aber bleiben wir doch auf der abstrahierenden Ebene. Lassen wir den Avatar zu einer Spielfigur auf der Weltkarte werden. Lassen Kämpfe nur unter der Voraussetzung stattfinden, dass sie gewonnen werden. Lassen jede Art von Grafik auf die Symbolebene reduzieren, Musik nur durch ein Piep-Geräusch andeuten. Die Spielmechanik soll nur auf die vier Grundrichtungen – vor, seitwärts und zurück – beschränkt sein. Erfahrung ist gleichzeitig der Fortschritt in der Story, so dass Ausprobieren die einzige sinnvolle Strategie ist. Um den Genannten die Krone aufzusetzen: Sogar der Programmcode soll beschränkt sein. Und zwar auf genau 10 Zeilen reines Basic.

Nun nähern wir uns langsam der Bedeutung des hier zu untersuchenden Computerspiels. Wir treffen auf ein hochprozentiges Destillat berühmter Rollenspiele, eine Abstraktion der Fantasie, ein Versuch, ein ganzes Genre quasi in einen Satz – ja ein Wort – zu packen. Ob der Versuch gelingt, liegt wie immer im Auge des Betrachters. Aber hier nun meine subjektiven Erfahrungen mit Wizard of Wasd.

Das Spiel ist mir als Teilnehmer im 2020 BASIC Ten Liner competition aufgefallen. Das komplett nicht-kommerzielle Programm bringt eine eigene Webseite quasi als Ersatz für eine fehlende Anleitung samt Verpackung mit. Hier ist auch der komplette Sourcecode veröffentlicht, der in seiner nicht komprimierten lesbaren Version übrigens mehr als 300 Zeilen umfasst. Als Vorgeschmack und zum Einstieg in das echte Programm findet man auch noch die Hintergrundgeschichte zu dem kleinen 10-Zeilen-Basic-Spiel. Dass auch diese Geschichte länger als 10 Zeilen ist, wundert mich an dieser Stelle eigentlich schon gar nicht mehr: Die neun mächtigsten Zauberer des kleinen – ganze Jahrhunderte in Frieden lebenden – Inselreiches WASD haben als Vorsichtsmaßnahme den Dolch von Venn erschaffen. Damit ist die kleine Welt für eine eventuelle Rückkehr des bösen Erzmagiers Belkor der Blaue gewappnet. Der Dolch wurde natürlich gut versteckt, damit er nicht in falsche Hände gerät. Wie das Schicksal so spielt, ist die Zeit für die Rückkehr dann tatsächlich gekommen. Der böse Magier hat sich in einem Turm auf einer der östlichen Inseln – bewacht von einer mächtigen Kreatur – zusammen mit seinem Gefolge verschanzt und bereitet einen zerstörerischen Zauber vor. Der Spieler darf in die ehrenhafte Rolle des potentiellen Befreiers übernehmen.

Unser Held kann durch den – jedem Egoshooter-Spieler bekannte – Tastenblock „W“,„A“,„S“ und „D“ in die vier Himmelsrichtungen bewegt werden. Eine Aktionstaste ist nicht vorgesehen, denn jede Aktion wie Aufnehmen, Benutzen, Öffnen, Betreten oder Kämpfen erfolgt automatisch beim Betreten des entsprechenden Feldes. Zum Ärger aller Flat-Earth-Anhänger kann man nicht vom Rand der Karte herunterfallen und auch sonstige Tode nicht sterben. Die einzige Limitation und damit auch ein Grad für die Qualität der Spielweise ist die Anzahl der Schritte. Mehr als 999 sind nicht erlaubt. Die Schritte gehen flink von der Hand. Die Bewegung der Spielkarte ist flüssig und ruckelt kein bisschen. Die Steuerung spricht ohne Verzögerung direkt an. Die Erkundungen gehen schnell voran. Hier ein Teleporter, dort ein Labyrinth, da ein Schiff zum Überqueren der Meerenge. Die Umgebung ist als solche anhand der Farbgebung oder entsprechender Texturen gut erkennbar. Das Spielprinzip ist auch schnell verstanden: Objekte suchen und einsammeln und an der richtigen Stelle benutzen. Plattes Beispiel: Spaten im Labyrinth finden und den Eingang eines verschütteten Dungeons damit frei schaufeln. Aber auch komplizierter: Mit einem gefundenen Käfig einen Vogel einfangen und mit dem Vogel als Köder eine gefährliche Schlange in den Käfig locken. Die einzelnen Gegenstände sind dabei nur als Symbole erkennbar. Der Rest ist der Fantasie überlassen. Die Weltkarte ist immerhin so groß, dass beim ersten Durchlauf die 999 Schritte tatsächlich nicht zum Auffinden des Dolches von Venn gereicht haben. Aber mit dem gewonnenen Vorwissen war ich bereits ein zweiter Versuch erfolgreich. Als Anreiz hat der Autor des Spiels noch seine minimale Anzahl an Schritten genannt, die der geneigte Spieler zu erreichen suchen möge.

Für mich hat sich dieser Ausflug nach WASD gelohnt, denn das Spiel hat meine Fantasie angesprochen, den Entdecker in mir geweckt und mich am Ende mit einem Erfolgserlebnis belohnt. Ernsthaft: für mich ist dieser 10-Zeiler ein ganz heißer Favorit des 2020 BASIC Ten Liner competition, denn was der Autor hier aus 10 Zeilen Basic herausholt ist grandios. Die Passion mit der dieses Projekt realisiert wurde, spiegelt sich nicht zuletzt auch in einer kleinen Grafik mit den pseudo-kartografischen Umrissen der WASD-Inseln im Titel der Webseite. Da stimmt einfach jedes Detail im Gesamtbild und macht diesen kleinen 10-Zeiler zu einer spielbaren Miniaturausgabe seiner großen Vorbilder. Meine Bewertung betrachtet dieses Werk eines einzelnen Programmierers als regelrechte Software-Kunst. Ein Vergleich mit den sporadischen amateurhaften Basic-Versuchen des Autors dieses Reviews und damit stellvertretend für viele andere Basic-Veteranen verbietet sich. Denn die krakelige Skizze eines Kleinkindes kommt niemals an die Ausgewogenheit und Perfektion eines echten Picasso heran.

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Atari 400/800

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