Tex Bonaventure and the Temple of the Water of Life

Firma:
Jim Warrenfeltz
Jahr:
2013
System:
Interpreter (Glulx)
Genre:
Adventure
Tags:
Sonstige Fantasy / Humor / Textbasiert
Sprache:
Englisch
Mittlere Wertung:
4.5/5

Bericht von Mr Creosote & Herr M. (12.11.2013) – Interpreter (Glulx)

[Herr M] Es ist mal wieder so weit: Mit dem geradezu klassischen breitkrempigen Hut auf dem Kopf und der guten alten Peitsche in der Hand steht man vor einem uralten Tempel, um eines der am besten gehüteten Geheimnisse der Menschheit zu lüften. Wer jetzt an einen altbekannten Lederjackenverkäufer denkt, irrt sich leider ein wenig: Wir reden heute nicht über eine der Eskapaden von Indiana Jones sondern über Tex Bonaventure und seiner Suche nach dem Wasser des Lebens.

[Mr Creosote] Die Betonung liegt wohl auf „ein wenig“: Wenn die Lizenz bezahlbar wäre, wären wir hier wahrscheinlich sehr wohl über Indiana Jones gestolpert. Wobei „Tex Bonaventure“ natürlich schon ein Wortspiel mit „Textadventure“ sein soll, was uns gleich mal auf das, was da kommt, einstimmt.

Textadventure? So richtig wie früher?

[Herr M] Nämlich ein solches Textadventure in seiner Urform: Ein Haufen willkürlich zusammengewürfelter Räume, voller hinterhältiger Fallen aber auch Heimat einer Meute reichlich obskurer Kreaturen. Ach ja, und irgendwo, im tiefsten Innersten des Tempels, natürlich auch das ersehnte Ziel: ein Schatz von unermesslichem Wert.

[Mr Creosote] Man könnte also sagen, dass wir beide uns jetzt ebenfalls aufmachen, die Anfänge des Genres in all seiner abenteuerlich-schatzsucherischen Tradition nochmal zu erkunden! Mal sehen, wie viele Tode wir dabei sterben…

[Herr M] Ja, das mit dem Tod ist bei den alten Textadventures so eine Sache: Die waren oft ein wenig gnadenlos. Eine unbedachte Handlung, und schon stand man vor der guten alten Wahl, von vorne anzufangen, zu laden oder gleich ganz aufzugeben. Bei Tex Bonaventure sieht das ganz ähnlich aus: Gleich in der Eingangsszene kann man sterben, und selbst wenn man es schafft, an dem „Wächter“ vorbeizukommen, kriegt man auch gleich eine handfeste Motivation, sein Ziel zu suchen. Danach wird es nicht viel besser, und man muss schon ein wenig mitdenken.

[Mr Creosote] Gleichzeitig ist dies jedoch die erste große Abweichung von den wirklich klassischen Schatzsuchen: Wenn Tex stirbt, ist es eigentlich immer sofort klar. Man kann kein Gift trinken, das einen dann erst 100 Züge später umhaut. Wenn man tot ist, ist man tot, kann den Zug zurückgängig machen und weiß, woran es lag.

[Herr M] Zugegeben, die Tode sind immer nachvollziehbar und damit um Einiges vermeidbarer als in früheren Spielen. Gewisse Modernisierungen, die dem Spiel sehr gut tun, sind also vorhanden. Doch der eigentliche Kern besteht aus Althergebrachtem: Jede Menge Fallen und wie man sie umgeht. Dass man dabei so konsequent war, den Tod des Protagonisten einzubauen, ist ja eigentlich sogar sehr lobenswert, weil die Sache dadurch spannender wird.

[Mr Creosote] Zwar habe ich sehr viele alte „unfaire“ Schatzsuchen gespielt, aber heutzutage bin ich über solche kleinen Gnädigkeiten schon froh. Auch sind die Rätsel, die sich eben mit dem Umgehen der Fallen und dem generellen Fortkommen beschäftigen, bei Weitem nicht so absurd wie von früher gewohnt.

[Herr M] Findest du? Ich finde manche Lösungen schon ein wenig weit hergeholt. Was ungefähr zu tun ist, kann man zwar immer recht leicht erraten (vor allem, weil sie oft ein wenig klischeehaft sind), aber die tatsächliche Umsetzung von manchen der Rätsel sind dann schon ein wenig ungewöhnlich.

[Mr Creosote] Ich will sicher nicht behaupten, dass wir hier den Gipfel menschlicher Logik vorfinden. Aber es gibt beispielsweise kaum Rätsel, die sich nur um versteckte Objekte drehen – ich weiß nicht, in wie vielen anderen Spielen ich den Boden in jedem verdammten Raum umgegraben habe, um dann plötzlich neue Objekte zu finden. Hinzu kommt, dass der Tempel auch vergleichsweise klein ist, so dass selbst reines Ausprobieren schnell getan ist.

[Herr M] Das ist dann aber eher auf eine überschaubare Anzahl an Möglichkeiten, als auf wirklich gutes Rätseldesign zurückzuführen. Und gerade bei so Dingen wie den Boden absuchen, muss ich an ein spezielles Rätsel denken, bei dem ich fast verzweifelt bin. Gerade dort lag nämlich was am Boden, dass ich nicht finden konnte, obwohl ich schon ahnte, dass etwas da sein musste. Nur die Beschreibung des Bodens gab keinen Hinweis darauf.

[Mr Creosote] Gut, wie gesagt – sicherlich wird einiges erst im Rückblick klar, aber immerhin das. Blödsinn der Marke „the rod scares the bird“ (Adventure), bei dem man sich wirklich verzweifelt an den Kopf fassen muss, gibt es nicht. Gleichzeitig könnte man aber zugegebenermaßen auch an praktisch jedem Rätsel ein Haar in der Suppe finden. Ob nun ein doch etwas verstecktes Objekt (wobei das schon noch eine andere Qualität ist, da Objekte hier höchstens in einer etwas tieferen Rekursionsebene der Untersuchung der Umgebung versteckt sind, nicht völlig unsichtbar) oder ein falsch bezeichnetes Objekt (dieses Rüstungsstück) ist. Trotzdem: Ich bin nie ernsthaft steckengeblieben, der Spielfluss funktionierte für mich sehr gut.

Überhaupt ist mir bei diesem Spiel mal wieder richtig klargeworden, wie vergleichsweise organisch solche objektbasierten Rätsel in dieses Subgenre passen und wie die Versuche, das auf andere Arten von Geschichten zu übertragen, immer irgendwie gezwungen wirken muss.

[Herr M] Mit oben erwähnter Ausnahme und dem Schluss (wo ich dann doch in der Lösung nachschauen musste, und das nach wie vor extrem weit hergeholt finde) fand ich den Spielfluss auch recht gut. Mich hat aber eben bei manchen Stellen ein wenig geärgert, dass die Implementierung nicht ganz so sauber war.

[Mr Creosote] Generell hatte ich einen mehr als soliden Eindruck von der Implementierung. Beim Hochklettern durch die Falltür gab es glaube ich irgendein technisches Problem, aber sonst?

[Herr M] Ich hatte auch einen Schalter, der ausschließlich durch „flip“, aber nicht durch „push“ oder „pull“ betätigt werden konnte, gerade beim Klettern war das Spiel teils recht pingelig und besagte Falltüre habe ich beim ersten mal nur durch einen Bug überwunden. Um jetzt aber nicht allzu negativ zu klingen: Der Großteil war eigentlich sehr gut gemacht, aber es waren ein paar Schnitzer dabei, die meiner Ansicht nach vermeidbar gewesen wären. Keiner davon ist aber so schlimm, dass das Spiel unspielbar wäre.

[Mr Creosote] Alles im Detail nicht abzustreiten, aber immerhin lässt das Spiel immer diejenigen Formulierungen zu, die es dem Spieler selbst nahelegt. Bei dem Felsvorsprung wird einem das notwendige Verb beispielsweise in der Beschreibung verraten. Sicher wäre es schöner, wenn andere zusätzlich funktioniert hätten, aber mit diesem Grundmaß an Fairness bin ich absolut zufrieden. Insbesondere, da ich das Spiel abseits der eigentlichen Rätsel geradezu hervorragend implementiert finde: Eine Menge Aktionen, die man eigentlich zur Lösung gar nicht braucht, sind vorgesehen und werden mit witzigen Antworten bedacht.

Oder doch ein bisschen mehr?

[Herr M] Aber nicht nur die: Allgemein steckt eine Menge Humor in den Beschreibungen, die teils über mehrere Ebenen gehen. Von einer Raumbeschreibung, zu einem Gegenstand zu einem Detail des Gegenstands und manchmal noch weiter. Diesbezüglich möchte ich einfach mal empfehlen, den Eingang des Tempels mal genauer zu untersuchen, das gibt schon einen ganz guten Vorgeschmack.

[Mr Creosote] Man wird für die Erkundung und auch teilweise absurde Aktionen belohnt – explizit durch Punkte (eine meiner ersten Aktionen in jedem Spiel ist immer zu singen, aber ich habe bislang nur selten einen Punkt dafür bekommen), aber (noch viel wichtiger) eben auch implizit dadurch, dass man einfach gut unterhalten wird. Das Spiel gibt sich selbstironisch und es belohnt besonders diejenigen Spieler, die sich auf diese Stimmung einlassen und voll in dem Sinne mitspielen.

[Herr M] Neben der zusätzlichen Tiefe und der sehr hohen Wiederbespielbarkeit, verleitet das zu recht amüsanten Experimenten. Mein Testansatz diesbezüglich ist ja mich in jedem Spiel schlafen zu legen, worauf dieses Spiel tatsächlich auch eingeht. Und mit eingehen meine ich, dass man einen Kommentar erhält, der über ein einfaches „Du bist nicht müde!“ weit hinausgeht.

[Mr Creosote] Eben, solche Dinge machen einfach Spaß! Das Spiel schreit geradezu „nimm mich nicht ernst, hab einfach Spaß“ – eine mehr als willkommene Abwechslung im Zeitalter verbissener Ernsthaftigkeit. Das geht in diesem Genre ja so weit, dass viele Spiele sich gar nicht mehr als „Spiele“ bezeichnen lassen wollen, weil sie dies als abwertenden Begriff sehen. Tex ist da das genaue Gegenteil und das ist fast schon wieder erfrischend „anders“.

[Herr M] Es ist aber auch wichtig zu erwähnen, dass Tex auch einen gewissen Anspruch bei seinem Humor hat. Spiele die nur Spaß machen sollen, gibt es meiner Ansicht nach nämlich heutzutage auch zur Genüge, aber selten versuchen sie das durch Wortwitze oder gekonnte Satire zu erreichen. Lustig finde ich daran, dass dieses Spiel vor 20, 30 Jahren wohl überhaupt nichts Besonderes gewesen wäre. Wobei schon auch wenig mehr als damals vorhanden ist, und seien es nur die Anspielungen auf eine modernere Popkultur.

[Mr Creosote] Interessant, ich hätte es jetzt genau andersherum interpretiert: Dass Tex es sich mit seinem Humor sogar recht einfach macht. Er ist ja nicht unbedingt ausgefuchst, sondern es wird einfach immer wieder auf, wie du ja sagst, bekannte Popkultur Bezug genommen. Das ist Humor per Konnotation und man könnte es fies als Zehren von den Lorbeeren anderer nennen. Wobei ich da gar nichts gegen habe, es ist einfach leichtgewichtiger Humor, über den man nicht erst tagelang grübeln muss, bis man den Witz versteht.

[Herr M] Sicher gibt es wesentlich Anspruchsvolleres, und vielleicht baut es teils zu sehr auf Zitate auf, aber ich hatte zumindest das Gefühl, dass da ein gewisser Witz (im Sinne von Verstand) dabei ist. Auch gelungene Anspielungen wollen gelernt sein, und ich finde die sind hier schon ganz gut gelungen. Wenn ich etwas zum Ankreiden hätte, dann ist das der Hauptcharakter, der zu sehr darauf aufbaut, wie ein altbekannter Archäologe zu sein, ohne dass das vom Spiel entsprechend dargestellt würde.

[Mr Creosote] Wie gesagt, ich will den Humor damit auch gar nicht kritisieren. Ich habe mehrmals wirklich lachen müssen! Aber deine Beobachtung der Charakterisierung ist ja letztlich genau das, was ich meine: Ohne Konnotation des Bekannten läuft wenig. Wobei manche Konnotationen allgemeingültiger (Indiana Jones usw.), andere etwas spezieller geraten sind (Witze über Twine  – ob das in ein paar Jahren wohl noch irgendjemand versteht?).

[Herr M] Ja, manche sind schon sehr speziell, wobei sie nicht nur an die heutige Zeit gebunden sind. Wer heute nichts mehr mit „xyzzy“ oder „West of the House“ anfangen kann, wird das wohl in ein paar Jahren noch immer nicht können. Konsequent durchgezogen, wie das hier der Fall ist, haut das mit den Zitaten aber wirklich gut hin.

[Mr Creosote] Wobei das Spiel niemals der Gefahr nachgibt, sich selbst für besonders clever zu halten für seine Anspielungen. Sowas kann ich gar nicht haben! Und wenn man dann das unlösbare Endrätsel doch löst, wird man nochmal mit einem Knaller belohnt, so dass auch das den temporären Frust wert war.

[Herr M] Ich fürchte beim Ende war mir der Frustfaktor doch eine Spur zu hoch, das hat den ganzen Ärger nicht ganz aufgewogen. Wobei ich zugeben muss, dass es in seiner Gesamtheit hervorragend zum Genre passt. Zumindest musste ich da gleich an das ein oder andere Infocom-Spiel (allem voran Infidel) denken.

[Mr Creosote] Kleiner Tipp für unsere Leser bezüglich des Epilogs (streng genommen ein Prolog): Das Spiel beginnt direkt vor dem Eingang des Tempels. Wie ist unser Held wohl dorthingekommen? Und die Frage, wie in Infidel, ist, hätte er es besser wissen können?

[Herr M] Über die Antwort könnte man, nachdem man die beiden Enden gesehen hat, ein wenig streiten. Aber wo sie bei Infidel sehr eindeutig, und in meinen Augen auch plump ist, lässt Tex eventuell ein wenig Interpretationsfreiraum. Wirklich geistig hochtrabend ist die Auflösung vielleicht nicht, aber auch nicht allzu seicht.

[Mr Creosote] Du hast es ja vorher bereits mal gesagt und es stimmt schon: Der Humor des Spiels strahlt eine gewisse Intelligenz aus und das gilt natürlich insbesondere für das Ende. Aber ich denke auch, dass wir nicht im Sinne des humorigen Autoren handeln würden, wenn wir das jetzt überinterpretieren.

[Herr M] Das stimmt wahrscheinlich, auch wenn ich es sehr zu schätzen wüsste, wenn er es dennoch bis zu einem gewissen Grad beabsichtigt hätte. So oder so rundet es die Geschichte sehr fein ab und liefert noch eine gelungene Pointe.

Fazit

[Herr M] Und mit dieser stellt sich die Frage: Wie schaut nun das Gesamtbild aus? Wie gut ist diese Hommage an die guten alten „Textadventure“ gelungen?

[Mr Creosote] Ich will es mal ganz unseriös, so wie sich das Spiel selbst ja auch gibt, ausdrücken: Ich fand’s super! Kleinigkeiten hier, Kleinigkeiten da, klar, aber nichts davon hat meinen Gesamteindruck wirklich negativ beeinflusst. Vor Allem sind diese kleineren Schwächen locker technisch lösbar mit einer überarbeiteten Version, konzeptuell gibt es wirklich nichts, was ich auch nur ansatzweise als schwach bezeichnen würde.

So richtig überrascht war ich jedoch, als ich im Nachhinein mal geschaut habe, wer sich hinter dem Namen „Truthcraze“ versteckt: Es ist der Autor von The Test is Now READY, einem gut gemeinten, aber sehr moralisierenden und letztlich wenig effektiven Spiel, das letztes Jahr im Wettbewerb war. Im Vergleich dazu ist das wirklich ein unglaublicher qualitativer Quantensprung und eben auch ein überraschender Wechseln in der grundlegenden Art des Spiels.

[Herr M] Nun, immerhin hat der Autor schon ein paar Fehler von Tex nachgebessert (den oben kurz erwähnten Handschuh beispielsweise), wenn er vielleicht noch den ein oder anderen Makel ein wenig ausbügeln sollte, würde ich das Spiel allen Textadventure-Fans wirklich unumschränkt empfehlen. Es trifft den Zeitgeist (absurde Fallen und Monster, Schätze als Mittel zu jedem Zweck) seiner Vorgänger wirklich hervorragend und verleiht ihm durch die etwas moderneren Anspielungen eine Frischzellenkur, die es vielleicht ein wenig zugänglicher als die wirklich alten Spelunker-Abenteuer macht.

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Interpreter (Glulx)

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