Noctropolis

Firmen:
Flashpoint Productions / Electronic Arts
Jahr:
1994
Systeme:
PC (DOS) / PC (SVGA)
Genre:
Adventure
Tags:
Cartoon & Comic / Sonstige Fantasy
Sprachen:
Englisch / Deutsch / Spanisch
Mittlere Wertung:
4/5

Meinung damals

Noctropolis sieht todschick aus, ist aber ein recht frustrierendes Programm, bei dem man sich jeden noch so klitzekleinen Fortschritt in stundenlanger, akribischer Tüftelei und Sucherei erarbeiten muß. Da die ganze Aufmachung zudem so witzlos ist wie ein Multimedia-Leserbrief, empfiehlt sich im Zweifelsfalle eher der Griff zu Under a Killing Moon, wenn’s denn unbedingt Videos und 3D-Studio-Animationen sein müssen.

Petra Maueröder, PC Games 2/95 

[…] die vorzügliche Präsentation erhellt in Tateinheit mit der spannungsgeladenen Story noch die düstersten Stellen im schattigen Noctropolis!

Manfred Duy, PC Joker 1/95 

Schade um die angeschrammte Spielbarkeit, denn Story und Styling sind nicht von Pappe. […] Mit ein paar Nachbesseungen bei Puzzledesign und Bedienung hätte Noctropolis richtig schick werden können. So bleibt’s beim Beiß-die-Zähne-zusammen-Adventure für Fans morbider Storys, die viel Geduld haben.

[Heinrich Lenhardt, PC Player 1/95])(https://www.kultboy.com/index.php?site=t&id=5542)

Bericht von Mr Creosote (25.06.2004) – PC (DOS)

Noctropolis – Stadt der Dunkelheit. Heimat des Superhelden Darksheer, des Erzfeindes eines jeden Verbrechers. Peter Greys Lieblingsort, um seiner öden realen Existenz als erfolgloser Buchhändler zu entfliehen. Klar: Darksheer ist ein Comic im Stil des sogenannten „Silver Age“ oder „Golden Age“.

Vor kurzem hat allerdings der Verlag die Einstellung der Serie angekündigt. Peter lässt sich in seinem Sessel nieder, um noch einmal die letzte Ausgabe zu genießen. Die Story, wie Darksheer seine letzten verbliebenen Feinde stellt, und sie entweder umbringt oder der Polizei übergibt. Dann sein offizieller Rücktritt als Superheld.

Plötzlich klingelt es an der Tür. Ein Packet vom Verlag Darksheers? Ach ja, Peter hatte ja am Wettbewerb „Wer will Darksheer werden“ teilgenommen. Der Inhalt: Eine neue Ausgabe des Darksheer-Comics und zwei seltsame Ringe. War die Serie nicht eingestellt worden?

Die mysteriöse neue Ausgabe erzählt vom Auftauchen eines neuen, mächtigen Superverbrechers namens Flux, der viele von Darksheers alten Gegner aus dem Gefängnis befreit, und mit ihnen ein Verbrechersyndikat bildet. Darksheer ist nicht mehr aufzufinden. Wie hieß nochmal der Wettbewerb? Stimmt: Ein Traum wird war, als Peter nach Noctropolis teleportiert wird, um als neuer Darksheer dieser Bedrohung zu begegnen.

Leider ist nicht alles so einfach wie im Comic üblich. Darksheers alter Mentor, der Pfarrer Desmond, wird in seiner eigenen Kirche gefangengehalten, und Darksheers Partnerin Stiletto ertränkt ihren Kummer über ihre unerfüllte Liebe zum alten Darksheer im Alkohol.

Ja, diese „etwas“ durchgedrehte Story zu beschreiben, ist schon allein so lang wie mancher kompletter Test. Dass alle klassischen Comicclichés erfüllt werden, versteht sich von selbst: Die sexistische Darstellung der weiblichen Nebenrolle, die zwar anfangs als besonders gefährliche Kämpferin charakterisiert wird, im Verlauf des Spiels aber nur dazu zu gebrauchen ist, glatzköpfige ältere Herren abzulenken, und von Bösewichtern gefangengenommen zu werden; extreme Wendungen bezüglich des Gut-Böse-Schemas mancher Charaktere; Verschwörungen alter Geheimbünde; mystische Substanzen, die die Fähigkeiten von Menschen verbessern – zu einem hohen Preis.

Über die Spielmechanik gibt es nicht viel zu sagen. Noctropolis ist ein klassisches inventarbasiertes Point-&-Click-Adventure. Durch einen Rechtsklick irgendwo auf dem Bildschirm erscheint ein Menü aller Befehle. Funktioniert gut, abgesehen davon, dass man selbst „gehe“ immer manuell anwählen muss, und dass der Cursor nicht auf „vorhandene“ Objekte in der Hintergrundgrafik reagiert. Das passt entsprechend schlecht zum manchmal vorkommenden Pixelsuchen.

Allgemein sind die Rätsel in Ordnung. Wiederum ist es die Bedienung, die sie größtenteils ziemlich einfach macht: Es ist nicht möglich, einen Befehl wie „benutze x mit y“ zu konstruieren, sondern nur „benutze x“. „y“ wird dann automatisch vom Spiel gewählt, je nach dem Aufenthaltsort. Sehr einladend zum stumpfen Ausprobieren.

Die Grafik ist hochauflösend (640x400). Die Hintergründe sind (größtenteils sehr gut) gezeichnet, die Charaktere gefilmte Schauspieler, die in die Szenen kopiert wurden. Meistens klappt das ganz gut, manchmal sieht es allerdings wirklich albern aus. Auch scheinen verschiedene Zeichner am Werk gewesen zu sein, was sich in einigen unpassenden Stilbrüchen zeigt (ja, die flachen Cartoonteile sind gemeint).

Wenn man andere Charaktere anspricht, öffnen sich jeweils kleine Videos, inklusive Vertonung der Dialoge. Die Schauspielleistungen spotten jeder Beschreibung, besonders die peinlichen Sprecherleistungen (dies bezieht sich auf die deutsche Version, auf Englisch ist das ganze ein wenig besser, aber auch nicht entscheidend).

Es ist schon schade, dass dieses ansonsten exzellente Spiel durch die unnötigen „Multimedia“-Elemente so runtergezogen wird. Die Atmosphäre hätte vom Weglassen der Videos und Sprachausgabe nur profitieren können. Stattdessen den selben Leute, die die Hintergrundgrafiken gezeichnet haben, auch die Charaktere zu überlassen, und die Bedienung zu verbessern, hätte das Spiel in höhere Wertungsregionen erhoben. So ist Noctropolis „nur“ ein gutes Adventure.

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