Hill Street Blues

Firma:
Krisalis
Jahr:
1991
System:
Amiga (OCS)
Genre:
Strategie
Tags:
Umsetzung eines anderen Mediums / Fahren / Polizei & Verbrecher
Sprachen:
Englisch / Französisch / Deutsch / Italienisch / Spanisch
Mittlere Wertung:
3/5

Meinung damals

Hill Street Blues ist der Traum jedes Hobbykommissars!

Joachim Nettelbeck, Amiga Joker 5/91 

Die vielen Details wie Gerichtsverhandlungen, Verfolgungsjagden, Straßensperren oder Sonderkommandoeinsätze runden den Hit gekonnt ab. Die Schwierigkeitsabstufung in fünf Level (Beginner bis Expert) läßt auch für Supercops immer genug Spannung aufkommen. Keep the City clean!

Klaus Segel, ASM 6/91 

Ähnlich wie die Fernsehserie besitzt auch das Computerprogramm spielerische Längen. Hat man alle Befehle ausgegeben, kann man nur zuschauen, wie die Pixel-Polizei über den arg ruckelnden Bildschirm kriecht, um endlich am Ort des Verbrechens einzutreffen. Dann heißt es wahllos kleine Männchen anklicken und hoffen, daß ein Verdächtiger ins Netz geht. […] Wenn neun Patrouillen unterwegs sind, verliert man hoffnungslos den Überblick.

Volker Weitz, Power Play 6/91 

Bericht von Mr Creosote (29.04.2020) – Amiga (OCS)

Das Fernsehprogramm unterliegt längeren und kurzlebigeren Trends. Was vor ein paar Jahren die große Zombiewelle war, waren in den 1970er Jahren die Polizeiserien. Polizeirevier Hill Street  war da in den 80ern schon eher als Nachzügler zu sehen und die Computerspielumsetzung erblickte erst in den 90ern das Licht der Welt. Hatte man da also auf ein totes Pferd gesetzt? Seinerzeit vielleicht, aber im Rückblick aus dem Jahr 2020 ist der Unterschied zwischen 1987 (dem Ende der Fernsehserie) und 1991 ehrlich gesagt ziemlich zu vernachlässigen.

Das Spiel dreht sich wie erwartet ganz um die Organisation der tag-täglichen Einsatzplanung. Vom Schreibtisch aus ist die Arbeit der Ermittler zu koordinieren: Meldungen über Verbrechen kommen kontinuierlich herein und der Spieler hat die Untersuchungen sinnvoll an die verfügbaren Männer und Frauen zu verteilen, ihnen Anweisungen zu geben, sie mit fahrbaren Untersätzen auszustatten usw. Eine schnelle Reaktion ist oft von kritischer Wichtigkeit, da die Verdächtigen sich sonst schnell aus dem Staub machen. Sollte die Schwere des Verbrechens es erlauben, können sogar Straßensperren errichtet werden. Glaubt man, einen Verdächtigen identifiziert zu haben (auf Basis des Phantombilds), kann man ihn direkt verhaften oder aber ihn erstmal weiter beschatten. Schließlich bringt es wenig, ohne ausreichende Beweise zuzugreifen.

Die Schwierigkeit liegt darin, wie viele Dinge auf einmal passieren. Es geschehen zu viele parallele Verbrechen, sich umfassend um alle zu kümmern. Einen kleinen Fisch vorübergehend durchs Netz schlüpfen zu lassen, kann eine gangbare Entscheidung sein, wenn man dafür größere Brocken fängt, aber trotzdem gilt es, jede Sache im Auge zu behalten, denn wenn Kleinkriminelle sich zu sicher fühlen, tendieren sie zur Eskalation, wiederholen ihre Taten oder schlimmer. Das Spiel vertritt in diesem Sinne also eine typische Law-&-Order-Philosophie.

Gut macht sich die Simulation des Lebens und Treibens in der Stadt. Dies reduziert sich nicht auf Kriminelle, die sich um Tatorte herumtreiben, sondern das Straßenbild wird weitgehend von unschuldigen Bürgern, die ihrem normalen Leben nachgehen bestimmt. Die Tages- und Nachtzyklen beschränken sich nicht auf einen Wechsel der Farbpalette, sondern der Berufsverkehr staut sich nachvollziehbar usw. Zuguterletzt ist sogar das Stadtbild einigermaßen funktional nachvollziehbar und zahlreiche interessante Flecken finden sich auf dem Stadtplan.

Probleme zeigen sich leider in der Menge des Micromanagement. Das Interface tut seinen Zweck zwar recht zuverlässig, aber einiger an sich offensichtlicher Komfort wird einem verwehrt. Beispielsweise ist es nicht möglich, direkt aus getippten Bericht einer Straftat zum Tatort auf dem Stadtplan zu springen. Stattdessen muss man sich den Namen des Tatortes merken und dann jedes Mal per Hand suchen. Bis man dann irgendwann alle Straßen- und Gebäudenamen auswendig kennt. Darüber hinaus lässt die Autonomie der Einsatzkräfte einiges zu wünschen übrig. Sie mit ungefähren Zielvorgaben zu einem Tatort zu schicken, reicht nicht aus. Stattdessen muss ihnen jeder Schritt explizit per Hand befohlen werden. Passanten müssen jeder einzeln angeschaut werden, um ihre Visagen mit den Phantombildern abzugleichen, was sich durch die permanente Bewegung, in der sich alles befindet, ziemlich fummelig gestaltet. All das, während gleichzeitig bereits diverse neue Fälle auf Abarbeitung warten.

Immerhin verlangt einem das Spiel keine perfekte Leistung ab. Ein Teilversagen ist konzeptuell bedingt und wohl auch gewollt. Der Stress der zahlreichen gleichzeitigen Ermittlungsstränge befindet sich klar auf der positiven Seite der Skala. Die Schwierigkeiten mit der Handhabung führen dagegen zu Fehlschlägen aus den falschen Gründen. Solch rein mechanische Schwierigkeiten mögen durch längeres Spielen abgeschwächt werden, doch selbst dann spielt es sich nie so komfortabel, wie man es eigentlich erwarten sollte.

Es versteht sich von selbst (?), dass das Spiel sich vollständig auf diese organisatorischen Aspekte wie Fallzuweisung, Verfolgung, Verhaftung usw. beschränkt. Die wenigen digitalisierten Gesichter aus der TV-Serie sind nicht mit jedweden Charakterisierungen der Personen verknüpft. Persönliche Aspekte, Animositäten oder andere Seifenopernelemente sucht man ebenso vergebens, wie Mitarbeiter niemals krank werden oder Urlaub nehmen. In dem Grundkonzept eines „interaktiven Polizeirevierdramas“ hätte sich sicher Stoff für noch ganz andere Aktivitäten oder zumindest Einflussfaktoren finden können.

Daran gemessen, was hätte sein können, ist Hill Street Blues somit eine recht trockene und beschränkte Angelegenheit. Doch trotzdem: Im Kern bekommt man genau das, was ein solches Spiel ausmachen sollte und dieser Kern ist auch gar nicht mal so schlecht gemacht. Vielleicht ist es ja mal Zeit für eine Wiederentdeckung?

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