Get Lamp

von Mr Creosote (26.02.2012)

Diese Debatte ist das Ergebnis eines kleinen Rollenspieles: Jacob (Gründer, Besitzer und Webmaster des Classic Adventures Solution Archive ) übernahm die Rolle des „Kritikers“, Mr Creosote spielte den „Fan“. Tatsächlich sind beide Standpunkte, positive wie negative Aspekte, eine Mischung aus den Meinungen beider.

[Jacob] Das heutige Thema soll Get Lamp  sein, eine Dokumentation von Jason Scott, der bereits vorher einen Film über die Geschichte der Bulletin Board Systems gemacht hat. Get Lamp versucht sich nun also an der schwierigen Geschichte der Textadventures. Es untersucht die frühe Geschichte des Adventuregenres und wie es sich aus einem auf den ersten Blick kaum verwandten Hobby entwickelte: der Erforschung von Höhlen. Der Ursprung einer Multi-Milliarden-Industrie liegt in diesem Genre, das seitdem bei den Massen in Verruf geraten ist.

[Mr Creosote] Die Dokumentation geht wirklich bis ganz an die Wurzeln zurück. Heutzutage besteht ja vielerorts die Tendenz, diese Wurzeln zu ignorieren oder sogar als leicht peinlich zu verleugnen. Get Lamp zeigt prägnant, ehrlich und auch ein bisschen stolz, wo das Genre herkam und wie es sich entwickelte. Ein bedeutender Teil der Laufzeit wird dafür gewährt, Höhlenfans über ihr Hobby erzählen zu lassen, sowohl in der Hauptdokumentation, als auch in einer eigenen, die einen Ausflug in die Höhle, die das Vorbild für das allererste Adventure war, zeigt.

[Jacob] Der Rest der Dokumentation deckt sowohl die professionelle Szene der 1970er und 1980er Jahre, als auch die Fan-Szene der aktuelleren Jahre, ab. Ein großer Teil des Films dreht sich um Infocom, eine Firma, die wohl keiner Vorstellung bedarf. Abgesehen von deren Angestellten tauchen in der Dokumentation auch so ziemlich alle wichtigen Köpfe der Adventureszene auf. Nur die Nicht-Amerikaner sind auffälligerweise abwesend, doch dazu später mehr. Also fangen wir mal von vorne an – was ist dein genereller Eindruck von Get Lamp? Exquisite Qualität oder minderwertige Arbeit?

Erste Eindrücke

[Mr Creosote] Es war ein Vergnügen! Wie du bereits erwähntest, ist die Liste der Menschen, die für die Dokumentation befragt wurden, recht eindrucksvoll! Noch wichtiger ist jedoch, dass sie auch alle etwas zu sagen oder zu erzählen hatten. Manches war witzig, manches nachdenklich, aber interessant war es eigentlich immer.

[Jacob] Ja, es steckt schon eine Menge guten Materials da drin. Ich habe jedoch den quälenden Verdacht, dass sich die Dokumentation zwischen zwei Stühle setzt. Zu esoterisch für Mainstreamzuschauer, aber vielleicht bietet sie auch nicht genug neue Informationen für Hardcorefans.

Wenn man nicht ohnehin sehr fachkundig im Bereich der Adventurespiele ist, werden die mangelnden Vorstellungen der Personen und die schnellen Schnitte (die meisten Leute bekommen jeweils nur einen einzigen Satz auf einmal) doch eher für… Verwirrung sorgen.

[Mr Creosote] Das kann ich so nicht unterschreiben. Es ist doch gerade gut, dass die Dokumentation nicht so oberflächlich ist. Wer nur wissen will, wie man ein Textadventure spielt, für den ist ein kurzes Youtube-Video ohnehin besser geeignet. Bezüglich neuen, unbekannteren Dingen – wie oft hast du denn beispielsweise vor Get Lamp von der ersten Person, die eine Doktorarbeit über Computerspieltheorie geschrieben hat, gehört?

Die Vielzahl der auftretenden Personen sorgen meiner Meinung nach weniger für Verwirrung, als für Abwechslung. Natürlich kommen all die „großen“ Köpfe vor, aber sie werden jeweils recht intelligent eingeführt: Egal, ob es nun Brian Moriarty oder Dave Lebling ist, sind ihre ersten gezeigten Äußerungen jeweils nicht in ihrer späteren Rolle als Spieldesigner, sondern als Fans ihrer jeweiligen Vorläufer. Das zeigt doch, wie sich die Industrie damals überhaupt entwickelt hat. D.h.: Es spielt eigentlich überhaupt keine Rolle, wer da gerade spricht, denn es sind alles Standpunkte verschiedener Fans.

[Jacob] Tja, mir fehlt da allerdings schon ein wenig der Zusammenhang, anstatt in 20 Sekunden die Meinungen fünf verschiedener Leute zu hören. Das ist dann doch manchmal etwas aus dem Zusammenhang gerissen :)

[Mr Creosote] Natürlich wären für extremere Fans die ungeschnittenen und -gekürzten Interviews (die Scott bereits begonnen hat, im Internet Archive  zu veröffentlichen) noch besser. Für „normale“ Zuschauer ist eine nach thematischen Gesichtspunkten zusammengeschnitte Version jedoch absolut notwendig. Und das leistet die Dokumentation eben. Kommen wir doch mal zu den speziellen Themen, die darin behandelt werden.

Inhalt

[Jacob] Sicher. Im ersten Abschnitt geht es um die Geschichte des Adventuregenres. Das reicht von Will Crowthers bahnbrechender Arbeit mit Adventure bis hin zu Scott Adams und Infocom. Das leitet dann zu drei weiteren Unterabschnitten über Rätsel, moderne Spiele und generelle Überlegungen darüber, was es ausmacht, Adventures zu spielen, über.

Die DVD-Navigation ist dabei jedoch etwas seltsam. Bis ich erkannt habe, dass man diese Dokumente auswählen kann, erschien Steve Meretzkys sympathisches Gesicht gleich mehrfach auf meinem Bildschirm.

Die zweite DVD enthält alle möglichen Merkwürdigkeiten, Anekdoten und mehr oder weniger bizarre Geschichtchen (und auch einige mehr als seltsame Kategorien) sowie einige Audiodateien, Fotos und Spiele zum Abspielen und Anschauen am Computer. Und dann gibt es noch einen Adventure-Rap, der doch sogar noch etwas seltsamer ist, als es sich anhört. Habe ich noch etwas vergessen?

[Mr Creosote] Es gibt auch noch eine eigene Dokumentation über Infocom und einer weitere kurze Dokumentation über die Höhle, die Colossal Cave Adventure als Vorbild diente.

[Jacob] Genau

[Mr Creosote] Bevor wir dann endgültig in die Inhalte einsteigen, muss ich noch loswerden, dass ich bezüglich der Unübersichtlichkeit der Navigation nicht nur zustimmen muss, sondern sogar explizite technische Probleme mit der ersten DVD hatte. Was auch immer ich in dem Meretzky-Menü anwählte – ich kam immer nur wieder zurück ins Hauptmenü. Die anderen Teile der Dokumentation musste ich also am Computer anschauen und dort die verbleibenden Kapitel direkt anspringen.

Die Grundidee dieses Menüs ist mir zwar durchaus sympathisch, jedoch ist es schon etwas befremdlich, dass man, wenn man an spätere Teile der Dokumentation will, immer erstmal durch den historischen Abschnitt durch muss. Das ist doch etwas ungeschickt, da benutzerunfreundlich. Was Meretzky da von sich gibt, ist immerhin sehr bewegend. In seiner Stimme schwang doch deutlich mit, dass ihn das Thema sehr am Herzen liegt.

[Jacob] Ja, ein simples Eingangsmenü wäre sicherlich praktischer gewesen. Und bei Meretzky zeigt sich eben, dass er und seine Mitstreiter immer noch emotional sehr mit der Sache verbunden sind.

Geschichte

[Mr Creosote] Wie gefiel dir denn der Abschnitt zur Geschichte des Genres? Die Montage der alten Covers und Spiele war doch toll, oder?

[Jacob] Da geht es ja um „Goldene Zeitalter der Adventures“ (TM). Ich befürchte, dass viele Anhänger des modernen Genres sich wünschten, dass all dies nicht in den letzten 30–40 Jahren passiert wäre, doch das nur nebenbei! Ausgerechnet derjenige, von dem wirklich alles seinen Anfang nahm, nämlich Will Crowther, wollte sich nicht äußern im Film, aber Alles in Allem funktioniert das Programm. es beginnt mit einer Reihe Höhlenforscher und Don Woods, der das originale Adventure entscheidend erweiterte. Auch Scott Adams bekommt einige Zeit eingeräumt, dem man immerhin nachsagen kann, die gesagte Computerspieleindustrie gegründet zu haben (wobei die Dokumentation in diesem Punkt recht ungenau ist: implizit ist nur die Rede von Computerspielen – die Rolle von Firmen wie Magnavox und Atari wird in diesem Kontext völlig verschwiegen).

Dann folgt ein längerer Abschnitt über Infocom, was sicherlich verdient ist. Doch abgesehen von der generellen Freude, all diese namenhaften Leute zu sehen, war mit der Film doch etwas zu enthusiastisch darüber, wie toll Infocom doch war und damit ist der Überblick über 15 Jahre Adventuregeschichte dann auch schon vorbei. Zugegeben, Infocom waren Pioniere und Vorbilder, aber ich fragte mich schon immer, wann denn all die anderen Leute noch kommen. Immerhin taucht Robert Pinsky auf, der für das experimentelle Mindwheel verantwortlich war, aber einige der Beteiligten hätten schon etwas mehr Zeit verdient.

[Mr Creosote] OK, Adventure Internationals Bankrott hätte es schon verdient, in der Hauptdokumentation aufzutauchen, anstatt in die „Outtakes“ abgeschoben zu werden, doch Alles in Allem muss man ja schon zugeben, dass Infocom das Genre mehr als alle anderen geprägt hat. Wie auch in der Dokumentation erwähnt, beherrschten sie die Verkaufscharts über viele Jahre! Sie sind mit der Entwicklung des kommerziellen Genres untrennbar verbunden und zeigen so auch die Gesamtentwicklung mehr als adäquat.

[Jacob] Verkaufszahlen sind aber eben nur ein Aspekt. Ich will Infocom ja nicht ihren verdienten Platz in den Annalen der Spielehistorie verwehren, nur hätte ich mich ein wenig mehr Vielfalt gewünscht. Und diese historischen Teile der Dokumentation sind eben auch vielleicht etwas zu nett. Interessant wäre es doch wohl gewesen, auch mal ein wenig mehr über die Probleme zu erfahren, mit denen sich die damals aktiven herumschlagen musst – wie beispielsweise die berühmt-berüchtigte Zusammenarbeit mit Douglas Adams. Und zuguterletzt könnte ich mich natürlich über die vollkommene Abwesenheit der europäischen Szene beschweren, doch das wäre dann wirklich vielleicht so, als wäre man in der größten Eisdiele der Welt und beschwerte sich darüber, dass es keinen Pistaziengeschmack zu kaufen gibt :) Ich denke, Level 9 und Magnetic Scrolls hätten sich als Hauptkonkurrenten gut im Gesamtbild gemacht, doch natürlich sind mir Jasons logistische Schwierigkeiten bewusst und ich bin mir sicher, dass sie im Nachfolgefilm auftauchen werden.

[Mr Creosote] Mehr wäre für Fans sicherlich immer noch besser, aber nochmal: Für den Durchschnittszuschauer muss man auf den Punkt kommen. Die Geschichte dieser anderen Filme mag auch für sich interessant sein, aber letztlich ist das qualitativ auch nichts entscheidend Anderes also bei Infocom – nur eben um ein paar wenige Jahre auf der Zeitskala versetzt. Warum also nochmal das gleiche erzählen? Dort, wo Jemand wirklich etwas „Anderes“ gemacht hat, wurde es ja auch erwähnt. Robert Pinsky hast du ja bereits erwähnt, sein Spiel war einer der ersten Versuche, „ernsthafte Literatur“ in das Genre zu bringen. Genau dies sind die Leute, die eine solche Dokumentation auch für Nicht-Insider interessant machen und deshalb bin ich wirklich froh, dass er mitgemacht hat. Immer nur wieder noch weitere Programmiere, die immer wieder das gleiche sagen, wären weniger interessant gewesen.

Spielerische Themen

[Jacob] Dem Geschichtsabschnitt folgen drei kürzere Segmente. Im ersten geht es um die „Erfahrung, Adventures zu spielen“. Streckenweise war das ganz interessant, aber es hatte doch immer den Unterton des „Predigens zum Chor“. Ja, die Zuschauer der Dokumentation wissen bereits, dass Adventures die tollsten Spiele aller Zeiten sind.

[Mr Creosote] Also Einiges war mir da schon neu. Beispielsweise hatte ich bislang nicht ernsthaft darüber nachgedacht, wie blinde Spieler mit diesen Spielen zurechtkommen. Der Abschnitt zu wissenschaftlicher Forschung über das Thema war ebenfalls sehr interessant.

Und dann gab es ein paar Leute, die darüber redeten, wie man IF in Schreibkursen benutzen könnte sowie sich ändernde Wahrnehmung klassischer Genreelemente wie Labyrinthe sowie einigen dem Genre inhärenten Probleme (wie beispielsweise die Illusion der völligen Handlungsfreiheit des Spielers, die jedoch niemals tatsächlich erreicht werden kann). Insgesamt war dies zwar vielleicht nicht der konsistenteste Teil der Gesamtdokumentation, er beinhaltete jedoch immerhin eine Menge Gedankenanstöße und bot einige neue Perspektiven.

[Jacob] Die Forschungsaspekte waren schon interessant, da muss ich zustimmen. Doch ich muss auch hier meine strukturelle Kritik wiederholen: Ich hätte es vorgezogen, hätte man den einzelnen Personen mehr Zeit gegeben. Dieses Hin- und Herspringen zwischen den Themen war doch sehr verwirrend. Gibt es in Enchanter nicht diesen praktischen Zauberspruch, mit dem man Dinge umsortieren kann? Das hätte ich wirklich gebraucht!

Und ehrlich gesagt sind einige Teile auch etwas zu schwafelig, auch wenn ich widerwillig eingestehen muss, dass einige der Designprobleme schon interessant dargestellt wurden.

Der Teil über die Rätsel war dagegen zweifellos interessant, schon alleine, weil die Transformation des Genres sehr treffend gezeigt wird. Autoren früherer Werke, wie Marc Blank, geben freiheraus zu, dass ihre Spiele eigentlich große Puzzles waren und schämen sich deswegen auch nicht, während modernere Autoren Rätsel eher zu verachten scheinen. Einige sind wohl eher der Ansicht, dass Rätsel ein Bestandteil früherer Zeiten (d.h. der 80er) sind, die das Genre nun zugunsten besserer Dinge hinter sich gelassen hat.

Ironischerweise ist diesbezüglich die Designerlegende Chris Crawford anscheinend genau einer Meinung mit den Repräsentanten der aktuellen Hobbyszene. Seine Aussagen darüber, dass es in Geschichten um Menschen gehen solle, nicht um Dinge, könnte genausogut von (relativ) bekannten Leuten der Gegenwart stammen (Emily Short beispielsweise).

[Mr Creosote] Als tendenzieller Vertreter der „alten Schule“ war ich sehr erfreut, wie ausgewogen die Dokumentation bezüglich dieser Frage war. Besonders dadurch, dass Blank, der immerhin eines der großen „Idole“ ist, soviel Zeit gegeben wurde, sich unter anderem über Leute lustig zu machen, die die „uneinheitliche Mythologie“ in Zork beschweren. Hier wurden wirklich fair Licht- und Schattenseiten von Rätseln gezeigt. Schatten, wenn man sie falsch anwendet – auf der zweiten DVD finden sich ein paar unterhaltsame Beispiele für misslungene Rätsel.

[Jacob] Das stimmt. Scott Adams erzählt zum Beispiel eine Anekdote über einen armen Bären! Und die Überlegungen beider Seiten zu hören, hat sicherlich Potential.

Die aktuelle Szene

[Jacob] Der dritte, kurze Abschnitt dreht sich um die moderne IF-Szene („modern“ ist in diesem Zusammenhang als „nach Infocom“ zu verstehen, also seit den frühen 1990ern – die Bezeichnung ist also etwas irreführend). Es ist schon toll, von Jemandem wie Andrew Plotkin zu hören, der sich wohl auch einige substanziellen Gedanken gemacht hat, und es ist auch interessant, über die aktuelle IF-Szene zu hören, aber spätestens in diesem Abschnitt hätte man wirklich mehr erklärende Einführungen gebraucht! Ich kann mir all die Zuschauer, die sich nur am Kopf kratzen können angesichts der Vorzüge Inform 7s  gegenüber Inform 6, bildlich vorstellen. Und so weiter. Generell kommt zur Sprache, dass es die IF-Szene aktuell nicht schafft, neue Interessentengruppen anzusprechen und genau das zeigt sich hier mehr als deutlich!

[Mr Creosote] Na ja, immerhin werden die zentralen Säulen der aktuellen Szene doch vorgestellt: die IF Comp , die Newsgroups, die Programmiersprachen… was hättest du dir denn noch gewünscht? Wer sich diesen Abschnitt unvoreingenommen anguckt, bekommt die relevanten Informationen doch.

[Jacob] Hey, aufgeschlossen bin ich! Ich hätte zu den „sprechenden Köpfen“ nur gerne eine kurze Vorstellung. Da doch so ein großer Teil der Dokumentation erstmal von Infocom handelt, gehe ich eigentlich davon aus, dass ein großer Teil der Zielgruppe (d.h. frühere Genrefans) von diesen ganzen netten Leute noch nie etwas gehört haben wird. Immerhin wird aber der Kontrast zu den klassischen Spielen deutlich.

[Mr Creosote] Ich kann mir gerade nicht vorstellen, wie die Vorstellung dieser Leute hätte aussehen sollen. Wer möchte schon eine Biographie von Stephen Granade oder Andrew Plotkin abschauen? Das ist nicht respektlos gegenüber diesen Personen gemeint, aber im Rahmen dieser Dokumentation „definieren“ sie sich doch durch ihre Ansichten zu gewissen Themen (und nichts anderes). Indirekt erfährt man also doch genug über sie.

[Jacob] Okay, okay, du hast gewonnen.

[Mr Creosote] Zuguterletzt folgt dann noch ein Abschnitt zu kommerziellen Möglichkeiten in der Gegenwart. Ich persönlich mag es, dass aktuelle Spiele kostenlos vertrieben werden, aber natürlich kann man nicht abstreiten, dass ein professioneller Vertrieb mit kommerziellem Hintergrund textbasierte Spiele durchaus wieder größeren Menschenmengen ins Bewusstsein bringen könnte. Es war interessant, was all die Leute, die das bereits versucht haben oder noch versuchen, zu sagen hatten. Ein weiterer Aspekt, dem man vielleicht in Zukunft mehr Aufmerksamkeit schenken sollte.

[Jacob] Na ja, wie vielversprechend das sein könnte (oder eben auch ist), wird in der Dokumentation ja von Mike Berlyn geäußert. Es ist sicherlich schön, diesbezüglich zu hoffen, aber all diese Anstrengungen einer Rekommerzialisierung erscheinen mir doch eher als Zeitverschwendung.

Weitere Dokumentationen

[Jacob] Die erste DVD wird dann noch von zwei weiteren Dokumentationen abgerundet. Die erste dreht sich um einen Ausflug in die Echten, Offiziellen, Ernstzunehmenden Höhlen, die das Vorbild zu Adventure waren. Mit Spielen hat das eher weniger zu tun, aber es ist eine nette Abwechslung. Immerhin kommt man damit mal ein bisschen aus dem Land der Sprechenden Köpfe heraus.

[Mr Creosote] Die einzige Höhle, in der ich mal war, waren die Chislehurst Caves , die streng genommen noch nicht mal Höhlen sind, und auch dort habe ich mich nur in den gut beleuchteten Teilen mit Hilfe eines Führers bewegt. Dass ich also noch zu einem halbprofessionellen Höhlenforscher werde, ist eher zweifelhaft. Die Idee dieses kleinen Films als besondere Ehrung gefiel mir jedoch.

[Jacob] Der andere Film läuft rund 45 Minuten und beleuchtet nochmal die Geschichte Infocoms. So ziemlich jeder, der mal etwas bei Infocom war, wurde befragt. Ganz interessant, aber wieder beschleicht mich der Eindruck, das alles schonmal gesehen, gehört oder gelesen zu haben. Jeder, der sich auch nur ansatzweise für Infocom interessiert, wird ja wohl schonmal von diesem kleinen Produkt namens CornerStone  gehört haben. Die Offenheit bezüglich Activision gefiel mir jedoch. Da griffen wohl keine Verschwiegenheitserklärungen :)

[Mr Creosote] Dieser Film war wirklich sehr gut gemacht. Er war sogar noch viel konsistenter und erzählte die Geschichte mit einem klaren roten Faden. Klar, vielleicht keine Neuigkeiten, die einem vom Hocker gehauen haben, aber inhaltlich durchaus in Ordnung.

[Jacob] Man muss Jason wirklich danken, dass dieser Film viel lockerer geschnitten ist. Da haben die Leute endlich mal Zeit, im Zusammenhang zu sprechen.

[Mr Creosote] Da du darauf immer wieder zurückzukommen scheinst, sollten wir nochmal auf den Schnitt der Hauptdokumentation zurückkommen: Mir gefiel die Dynamik, die durch die schnellen Schnitte entstand. Dadurch blieben die „sprechenden Köpfe“, wie du sagst, interessant.

[Jacob] Aber hätte man spätestens in diesem Film über Infocom nicht doch nochmal etwas tiefer gehen können? Wieder schienen doch alle sehr zufrieden mit sich selbst zu sein. Gab es auch irgendwelche Probleme oder Nachteile? Schreibblockade, Ärger in der Zusammenarbeit (wieder: Douglas Adams) usw.?

[Mr Creosote] Klar, die Probleme in der Entstehung Bureaucracys sind ja bekannt. Doch wie baut man sowas in eine solche Dokumentation ein? Das ginge doch nur durch kurze subjektive Anekdoten. Wenn man dieses Thema wirklich beleuchten wollte, dann müsste man doch einen eigenen Film nur darüber machen müssen. Die ich mir durchaus ansehen würde – aber wie viele Leute noch? Kann man solche Geschichten nicht ohnehin besser in Textform dokumentieren?

[Jacob] Also 15 Sekunden hätte man doch wohl zwischen all den glücklichen Gesichtern für soetwas opfern können? So scheint es doch alles etwas zu schön um wahr zu sein!

Oder man hätte eben tiefergehende Informationen auf der Scheibe in Textform mit beilegen können. Dann hätten diejenigen, die bislang immer die Infocom-Mitarbeiter beneidet haben, sich zumindest etwas besser fühlen können.

[Mr Creosote] Vielleicht muss man dabei bedenken, dass all dies ja noch gar nicht so lange her ist. Du hast schon Recht, dass beispielsweise das Verschwinden Infocoms recht einseitig Activision angelastet wird. Diskussionen über Infocoms hausinterne Probleme, beispielsweise mit der sich entwickelnden Technologie Schritt zu halten oder aber neue Märkte zu erschließen, sind auf die zweite DVD verbannt worden.

[Jacob] Ah, das ist unser Stichwort… weiter zur zweiten DVD!

DVD 2

[Jacob] Diese zweite DVD ist schon ein zweischneidiges Schwert. Allerlei zusammenhanglose Belanglosigkeiten, Anekdoten und sonstige Überreste der Interviews. Per Definition gibt es keinerlei roten Faden. Zu den interessanteren Geschichten gehören: John Romero (ja, der John Romero) und sein verlorenes Textadventure, Jon Palaces (von Infocom) aufgeregtes Glück darüber, einen Schraubenzieher in der wirklichen Welt zu finden, obwohl er einen solchen in einem Spiel gebraucht hätte. Chris Crawford (ja, ebenfalls der Chris Crawford) erzählt dann auch noch, warum das Adventuregenre niemals sein volles Potential erreicht hat.

[Mr Creosote] Der Schraubenzieher-Effekt ist mir nicht ganz unbekannt. Allerdings war das für mich immer eher erschreckend als faszinierend, wie Herr Palace es darstellt. Chris Crawford… er wird… sehr sarkastisch präsentiert. Er mag vielleicht etwas egozentrisch sein, aber das, was er sagt, ergibt doch durchaus Sinn – zumindest aus literarischer oder philosophischer Sicht. Marketingtechnisch ist das natürlich wiederum etwas anderes.

[Jacob] Crawford hatte ganz bestimmt eine illustre Karriere und haben seine Beiträge sicherlich Gewicht – und er ist mal eine willkommene Abwechslung von den ganzen schwärmenden Adventurefans.

[Mr Creosote] Ja, aber womit ist Crawford denn wirklich berühmt geworden? Strategiespiele der Marke Balance of Power oder Balance of the Planet. Die hervorragend sind, aber absolut nichts mit interaktiver Erzähltechnik zu tun haben. Das einzige Spiel in dieser Richtung, das er während seiner kommerziellen Karriere gemacht hat, war The Legacy of Siboot.

Klar, er hat schon seit Ewigkeiten wieder Erasmatazz-Projekt . Als ich mir das jedoch das letzte Mal näher angeschaut habe (zugegebenermaßen vor zehn Jahren) war das dortige „Meisterwerk“ (eine „Meeting-Satire“) nur wenig eindrucksvoll. Von den Visionen, die Crawford anscheinend in seinem Kopf hat, war das weit entfernt.

[Jacob] Vielleicht liegt das dann doch noch an der mangelhaften Technologie?

Wir sollten dann noch Mary Ann Buckles erwähnen, die eine Forschungsarbeit im Bereich der Adventures geschrieben hat. Sie äußert sich zu den Möglichkeiten, dass Adventurespiele Menschen verändern könnten… irgendwie. Das ist eher philosophisch, hat mich aber eher verwirrt.

[Mr Creosote] Das ist eben die Sichtweise einer Person, die zwar selbst viel über die Fragen gegrübelt hat, allerdings völlig abgekoppelt von den laufenden Diskussionen.

Eine Kleinigkeit möchte ich jedoch auch noch erwähnen (auch, wenn das gleiche in diversen in Textform veröffentlichten Interviews bereits gut dokumentiert ist): Bob Bates (von Legend Entertainment, einer Firma, die in der Hauptdokumentation leider nicht vorgekommen ist) spricht darüber, das „else“ zu programmieren. D.h. das zu definieren, was passiert, wenn der Spieler von dem geraden Lösungsweg abweicht und trotzdem unterhalten werden möchte. Genau das ist es, was das Adventuregenre für mich so unterhaltsam macht!

Gesamturteil

[Jacob] Get Lamp ist ganz sicher ein sehr ambitioniertes Projekt. Die Dokumentation erlaubt einen Einblick in eine Industrie, in der mittlerweile alle Investitionen in Richtung halbwüchsiger Jugendlicher getätigt werden (wirklich traurig). Die Teile, die nach den rein historischen folgen, sind jedoch vielleicht etwas zu ambitioniert. All diese komplexen Themen werden ohne erkennbaren roten Faden und ohne klar erkennbar definierte Zielgruppe nur oberflächlich angerissen. So bin ich mir nicht sicher, wie erfolgreich die Dokumentation Alles in Allem ist.

[Mr Creosote] Vielleicht bin ich ja Jemand, der mehr auf einzelne Momente Wert legt… zumindest auf Basis dieser Prämisse fand ich Get Lamp sehr gelungen. Viele kleine Szenen (von denen wir hier zahlreiche erwähnt haben) stimmten entweder nachdenklich oder waren einfach lustig („…but then, you’ve got this chocolate arm!“). Da ich selbst mehrere Jahre als Programmierer meinen Lebensunterhalt verdient habe, gefiel mir beispielsweise auch der omnipräsente anerkennende Unterton von Softwareprogrammierung als kreativer Arbeit. Ich hätte keine Bedenken, die DVDs auch nur leicht interessierten Nicht-Experten zu leihen, denn trotz aller vielleicht berechtigten Kritik im Detail, zeigen die Filme doch den Enthusiasmus, der sowohl den Macher beherrscht hat, also auch den, den die Interviewpartner an den Tag legen, sowie die Vielfalt des Genres.

Was man bedenken muss: Was zum Thema einer Filmdokumentation gemacht wird, gilt häufig automatisch als „relevant“. Allein das macht Get Lamp wertvoll.

[Jacob] Bezüglich letzterem sind wir ganz sicher einer Meinung.

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